Bunker sind monumental, kalt, mythisch und faszinieren die Öffentlichkeit. Sie beeindrucken oftmals durch ihre erstklassige stadtnahe Lage und bieten attraktiven Wohnraum. Darüber hinaus geht der Trend zu ungewöhnlichen Immobilien, wo der Bunker aufgrund seiner Kubatur ein Alleinstellungsmerkmal aufweist. Umso mehr begeistern sich Architekten und Projektentwickler landauf und landab dafür, die Schutzräume des Zweiten Weltkriegs in moderne Lofts, Büros, Ateliers oder Kulturzentren zu verwandeln. So zum Beispiel beim Penthouse Bunker in Hamm:
So ein Bauplatz ist ungewöhnlich. Das mehrfach ausgezeichnete Projekt „Penthouse auf dem Hochbunker“ ist ein legitimes Beispiel für eine moderne und urbane Wohnform. Zeitgleich ist es aber auch die ermunternde Aufforderung, innerstädtische Baulücken und Brachflächen im Sinne einer qualitativ hochwertigen Nachverdichtung kreativ zu gestalten. Hier wurde die oberste Deckenfläche eines Luftschutzbunkers aus dem Zweiten Weltkrieg als „vertikales Grundstück“ genutzt.
Etwa 160 Quadratmeter Wohnraum auf einem fast 15 Meter hohen Betonklotz mit schmuckloser Fassade mitten in einer gewachsenen Stadt - wer lässt so etwas bauen? "Menschen, die experimentierfreudig sind, ohne waghalsig zu werden. Die dem Leben und der Welt offen gegenüberstehen", sagt Architekt Mick Amort. "Positive Komplizen" nennt der Bonner Architekt vom Büro archivolver solche Auftraggeber.
Den Blick über die Dächer Hamms muss man sich erarbeiten. Es gibt keinen Aufzug, der Weg nach oben führt über eine Treppe in den sechsten Stock. Man „taucht“ von unten kommend in die Räumlichkeiten des Penthouses ein. Auf dem dicken und schweren Betonklotz, welcher an vielen Stellen noch die zahlreichen, aus den Fliegerangriffen stammenden Einschusslöcher aufweist, sattelt die leicht-filigrane Holz-Stahl-Konstruktion. Zu den technischen Raffinessen des neuen Gebäudes erläutert Architekt Mick Amort: "Wir mussten die Bestandsstatik des Bunkers sorgfältig recherchieren. Für die Entwicklung der Hybridkonstruktion aus Stahl und Holz haben wir spezielles Fachwissen aus dem Flugzeug- und Schiffsbau angewendet."
Keine Frage, es ist das Gegensätzliche, was am realisierten Entwurf von archivolver fasziniert.
Als zeitgeschichtliches Dokument bleibt der Bunker äußerlich völlig unverändert, also auch ohne Einschnitte für Fenster. Lediglich der moderne Baukörper des Neubaus erhebt sich schwebend wie "Phönix aus der Asche" aus den Ruinen des Luftschutzbunkers. Dramatisch-kühne Auskragungen, welche hohe Herausforderungen an die Statik stellten geben dem Neubau seinen unverkennbaren Charakter. Um den Kontrast zwischen alt und neu gestalterisch noch deutlicher zu betonen, verläuft zwischen dem Penthouse und der Bunkeroberfläche eine eingerückte, etwa einen Meter hohe Abstandfuge, die in der Nacht leuchtet. In dem Hohlraum der konstruktiven Fuge sind die gesamten Leitungen für die Versorgung des Neubaus untergebracht.
Formgebend für das Penthouse auf dem Hochbunker ist ein hoher Gebäuderiegel, der durch einen niedrigeren Riegel durchbrochen wird. Die Schnittstelle beider Gebäuderiegel, bildet im Grundriss als Ort der Begegnung, den Wohnbereich mit Küche. Weit kragt der verglaste Essbereich über den Bunkerrand heraus. Die bodentiefe Panoramaverglasung erlaubt den Bewohnern einen grenzenlosen Rundumblick über die Dachlandschaften von Hamm. Gerahmt von den hohen Baumkronen der Umgebung ist auf der verbleibenden Bunkerebene ein üppiger Dachgarten angelegt, der es den Bewohnern neben dem auskragenden Balkon ermöglicht, sich auch im begrünten Außenraum aufzuhalten.
Transparenz und Funktionalität gehen bei dem Entwurf des Penthouses Hand in Hand.
Scheint im Winter die Sonne auf das Glasdach des Aufgangs, erwärmt sich die Luft in den über drei Meter hohen Räumen und unterstützt die Heizung. Dagegen sorgt der Kamineffekt bei geöffnetem Dach des Glasreiters im Sommer für die kühl-erfrischende Brise aus dem Bunkerinnern. Eine verglaste Dachkuppel im Küchenbereich dient neben der Belichtung und dem „Himmelsauge“ auch als praktische Dunstabzugshaube. Fenster nutzt Architekt Amort nicht nur zur Belichtung, sondern auch um Blicke bewusst zu geeigneten Aussichtspunkten der örtlichen Umgebung zu lenken.
Nicht nur außen, sondern auch innen wird der Kontrast von Geschichte und Gegenwart erlebbar.
Vom Wohnstudio des Penthouses kann durch begehbare Glasböden weit hinunter ins Bunkerinnere geschaut werden. Das auf diese Weise in die dunklen Bereiche des Luftschutzbunkers geführte Tageslicht verzahnt den Neubau mit dem Bestandsgebäude und ermöglicht den Bewohnern die zusätzliche Nutzung der Bunkerräume.
Die Planungen für den gestalterischen Entwurf, die Ausführungsdetails sowie die Überlegungen zu Logistik nahmen Zeit in Anspruch. So wurden bspw. die Wände konstruktiv elementiert und in der Werkstatt vorgefertigt. „Die vorgefertigten Elemente wurden per Tieflader zur Baustelle gebracht und anschließend mit dem Baukran auf die Bunkeroberfläche gehoben. Dort wurde dann alles wie bei einem Bausatz zusammengefügt", erzählt Amort. Verkleidet wurden die Fassaden der Penthouse-Außenwände mit mintgrünem Plexiglas und Anthrazink-Tafeln. Im mittleren Bunkergeschoss wurde die komplette Haustechnik untergebracht.
Das architektonische i-Tüpfelchen in Abstimmung mit der Stadt Hamm:
Der zur Straße hin an der Bunkerfassade entlang stürzende Wasserfall.